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“Der jetzige Krieg richtet unser Augenmerk auf die Ukrainischen Flüchtlinge. Leicht geraten die Bedürfnisse und das Leid der aus anderen Kriegsschauplätzen Geflüchteten aus dem Fokus. Auch vor Putins unmenschlicher Zerstörungswut Geflüchtete. Ich persönlich habe die Zerstörung Aleppos nicht so wahrgenommen, wie die Zerstörung Mariopols. Als mir das auffiel, habe ich beschlossen zu handeln und auf die syrischen Flüchtlinge in  Zittau aktiv zuzugehen. Bei Radwan bin ich auf offene Ohren gestoßen.” benjamin pfefferkorn im Interview mit Jan Lange von der Sächsichen Zeitung

Im März haben wir in Berlin im Großhandel eingekauft, renoviert, geputzt und angefangen zu verkaufen. Ganz langsam haben wir versucht zu verstehen, was Hygiene Vorschriften, Steuerberater und elektronische Kassensysteme für Anforderungen an die Eröffnung eines Ladens in Deutschland so stellen können. Denkmalschutz und Stadtplanungsamt haben auch gerne mitgeredet. Es war nicht selbstverständlich, dass polnische Zigaretten nicht frei über den Ladentisch verkauft werden dürfen. Diese Erkenntnis wiederum gehörte zu meinen Aha-Erlebnissen in unserem offenen Prozess.

SZ + Zittau

02.09.2022 ,  17:00

In Zittaus altem Fischhaus gibt es wieder Lebensmittel – und zwar orientalische

In der Inneren Weberstraße 44 in Zittau wurde früher Fisch verkauft, nun ist das leere Geschäft wiederbelebt. Fische spielen aber nur eine kleine Rolle.

Von Jan Lange

Radwan Touti räumt die Regale mit neuer Ware ein. © Foto: Jan Lange

Generationen von Zittauern ist das “Fischhaus” in der Inneren Weberstraße noch gut in Erinnerung. Immer, wenn es frische Ware gab oder vor Feiertagen standen die Kunden hier Schlange. Nach der Wende war Schluss – und in den Jahren danach fristete das Traditionsgeschäft einen “Dornröschenschlaf”.

Seit einigen Wochen kann man im ehemaligen “Fischhaus” wieder einkaufen – allerdings keinen Fisch, sondern vielmehr orientalische Lebensmittel. “Jindas Laden” nennt Inhaber Radwan Touti sein kleines Geschäft – und der Name hat für den 49-Jährigen eine besondere Bedeutung. Jinda heißt seine Tochter, die 2016 in Zittau geboren wurde.

Touti selbst stammt aus Syrien, flüchtete 2015 wegen des Bürgerkrieges in seiner Heimatstadt Aleppo nach Deutschland. Über Hamburg und Dresden kam er einige Monate später nach Zittau und fand mit seiner Familie zuerst eine Bleibe im evangelischen Pfarramt auf der Pfarrstraße. Inzwischen wohnt Familie Touti in einer eigenen Wohnung, Radwan richtete sich eine kleine Werkstatt ein, wo er alte Möbelstücke aufhübscht oder Skulpturen restauriert.

Der Raum, in dem er die Holzsachen aufarbeitet, befindet sich im Wächterhaus in der Inneren Weberstraße 18. Hier lernte Radwan Touti auch Benjamin Pfefferkorn, den Eigentümer vom ehemaligen “Fischhaus” kennen. Für ihn hatte er einige Türen erneuert.

Pfefferkorn erwarb das markante Eckgebäude 2014 und führte ein Jahr später eine Notsicherung durch. Eine dauerhafte Nutzung für das alte Fischgeschäft fand sich jedoch nicht. Zweimal waren Trödelläden drin, einer auch länger als ein Jahr. Darüber hinaus gab es das Schwalbentanzfestival und die Ausstellung zu Jugendkulturen “Der Zweite Blick”, die von einigen Schulklassen des Zittauer Gymnasiums besucht wurden.

“Der jetzige Krieg richtet unser Augenmerk auf die ukrainischen Flüchtlinge. Leicht geraten die Bedürfnisse und das Leid der aus anderen Kriegsschauplätzen Geflüchteten aus dem Fokus. Auch vor Putins unmenschlicher Zerstörungswut Geflüchtete. Ich persönlich habe die Zerstörung Aleppos nicht so wahrgenommen, wie die Zerstörung Mariopols. Als mir das auffiel, habe ich beschlossen zu handeln und auf die syrischen Flüchtlinge in Zittau aktiv zuzugehen. Bei Radwan bin ich auf offenen Ohren gestoßen”, sagt Benjamin Pfefferkorn.

Radwan Touti hatte länger überlegt, ob er ein solches Geschäft betreiben soll. Kommt er doch aus einer anderen Branche. Dafür sprach, dass er bereits in Syrien eine Firma hatte. In seiner Heimat sei es aber etwas leichter, ein Geschäft zu eröffnen. Hierzulande gebe es viel mehr Regeln und Bestimmungen. Der 49-Jährige hat dennoch den Schritt gewagt – auch weil er seiner Frau eine berufliche Perspektive geben wollte. Sie soll im Laden mitarbeiten – vor allem, wenn er Aufträge in seiner Werkstatt erledigen muss.

Die meisten Produkte, die Radwan Touti in “Jindas Laden” anbietet, kommen aus Syrien, der Türkei und dem Iran. Die Palette reicht von Tee und Kaffee über Gewürze bis hin zu süßem Gebäck. Die Waren erhält er über einen Großhändler in Berlin, sodass er oft zwischen Zittau und der Hauptstadt pendelt.

Kurdische Kochkurse sind geplant

Bei Radwan Touti kaufen nicht nur die eigenen Landsleute ein, auch viele Ukrainer und Deutsche haben seit der Eröffnung bereits vorbeigeschaut. Die Deutschen wollen meist die kurdische Küche ausprobieren und besorgen sich in “Jindas Laden” die entsprechenden Zutaten. Radwans Frau plant deshalb Kochkurse für kurdisches Essen anzubieten. Doch erstmal soll sich der kleine Lebensmittelladen etablieren.

Ein solches Geschäft ist kein Selbstläufer – auch wenn viele Syrer und Türken in Zittau leben. Das stellte vorher schon ein anderer Betreiber eines syrischen Lebensmittelladens fest, der in kurzer Zeit an drei verschiedenen Standorten seine Produkte verkaufte – aber auch das letzte Geschäft auf dem Rathausplatz wieder schließen musste.

https://www.saechsische.de/zittau/einkaufen-in-zittau/fischladen-zittau-lebensmittel-syrien-5750456-plus.html

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